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Jugendliche: ein Potenzial für die wirtschaftliche Entwicklung

Niger gehört zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Die grössten Herausforderungen sind Bevölkerungswachstum, Migration und Sicherheit. Swisscontact arbeitet seit 2005 in Niger mit dem Ziel, Jugendliche bei ihrer beruflichen Integration zu unterstützen und dadurch die lokale Wirtschaft zu stärken.

Berufsaufbildung für Näherinnen in Niger
Berufsaufbildung für Näherinnen in Niger

Niger belegt Rang 189 des Human Development Index 2019 – von 189 analysierten Ländern. Von den 23 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern des Landes inmitten der Sahelzone leben rund 40 Prozent in extremer Armut. Die Hälfte der Bevölkerung ist unter 15 Jahre alt. Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch. Schon jetzt drängen jedes Jahr 400 000 Jugendliche ohne Abschluss in die Arbeitswelt.

Auf der anderen Seite stellen die Jugendlichen auch ein enormes Potenzial für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Wird es gelingen, diese brachliegende Arbeitskraft produktiv einzusetzen? Die Senkung der Arbeitslosigkeit ist ein zentrales Thema für die Regierung Nigers. Vorerst gilt es, die nötigen Strukturen zu schaffen.

Kaum bestehende Berufsbildungsangebote

In Niger existiert zwar eine traditionelle, informelle Variante der beruflichen Ausbildung. Sie besteht darin, dass die Lernenden einen Handwerker beobachten und seine Handlungen nachahmen. Diese Ausbildungen dauern lange – bis zu 10 Jahre zum Beispiel für Mechaniker –, sie basieren auf keinem Lehrplan und werden kaum vergütet. Nur wenige Familien können sich das leisten. Das formale, qualitativ hochwertige und den Umständen angepasste Berufsausbildungsangebot ist insbesondere auf dem Land sehr begrenzt.

In diesem Kontext kann Swisscontact mit ihrer Expertise wertvolle Unterstützung leisten. Mit dem von der DEZA finanzierten «Förderprogramm für ländliche Berufsbildung» stärkt Swisscontact die berufliche Integration von Jugendlichen durch vielfältige Massnahmen. Verschiedene Ausbildungsangebote in ländlichen Gebieten werden an die Möglichkeiten der Jugendlichen angepasst.

 

Berufliche Perspektiven dank Information, Beratung und Ausbildung

Gute Aussichten auf ein Einkommen bieten die Bereiche Landwirtschaft, Vieh- und Geflügelzucht, tierärztliche Behandlungen oder Landwirtschaftsmechanik. Auch sozioökonomisch ist es wichtig, dass die jungen Menschen sich eine berufliche Zukunft auf dem Land aufbauen können und nicht alle in die Städte oder in die umliegenden Länder abwandern. Neben der eigentlichen Ausbildung sind aber auch Information und Beratung zentrale Bestandteile des Projekts. Dank dieser Unterstützung lernen die Jugendlichen bestehende Ausbildungsmöglichkeiten kennen, sie können individuelle berufliche Pläne fassen und umsetzen.

Die dritte Phase des Projekts endet 2021. Bis dahin konzentriert sich Swisscontact darauf, die erarbeiteten Mechanismen an lokale und regionale Akteure zu übertragen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass Swisscontact sich Schritt für Schritt zurückziehen kann, die Angebote institutionalisiert und auf weitere Regionen ausgedehnt werden. Bis dahin werden dank dem Projekt 43 000 junge Frauen und Männer ihren beruflichen Weg gefunden haben.

14'920 junge Menschen haben dank des Projekts von 2017 bis Ende 2019 eine Berufsausbildung abgeschlossen oder wurden bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt, zum Beispiel durch Berufsberatung, unterstützt. 6'867 davon sind Frauen. 

5115 Personen haben eine Arbeit gefunden, 5062 sind selbstständig.

«Arbeitsqualität beruht auf der Fähigkeit zuzuhören»

Sophie Rosman, Landesdirektorin SwisscontactNiger
Sophie Rosman, Landesdirektorin Swisscontact
Niger

Sophie Rosman leitet seit Januar 2019 das Büro von Swisscontact in Niger. Davor war sie Vizelandesdirektorin. Im Interview erklärt sie, welche Strategie Swisscontact in Niger verfolgt.

Wodurch zeichnet sich die Arbeit von Swisscontact in Niger besonders aus?

Sophie Rosman: Swisscontact unterstützt die Akteure im Bereich der Berufsbildung in Niger seit mehr als 15 Jahren. Dadurch verfügt Swisscontact über ausgezeichnete Kenntnisse des Berufsbildungssystems und der lokalen Akteure. Die Strategie von Swisscontact zielt auf die Entwicklung eines kontext- und marktorientierten Ausbildungsangebots, das die Beschäftigungsfähigkeit und das Empowerment junger Menschen fördert. Die Qualität unserer Arbeit basiert auf der Fähigkeit der Mitarbeitenden, ihr Know-how einzubringen und gleichzeitig den Partnern und Gemeinschaften zuzuhören.

Inwieweit reagiert das «Förderprogramm für ländliche Berufsbildung» auf die Herausforderung, vor denen Niger steht?

In Niger macht der informelle ländliche Sektor zwischen 80 und 90 Prozent der Beschäftigung aus. Er ist stark durch Landwirtschaft und Viehzucht geprägt. Über den schwierigen allgemeinen Kontext hinaus steht das Land vor der Herausforderung, junge Menschen beruflich einzugliedern. Das Problem verschärft sich, weil die Jugendlichen kaum Fähigkeiten oder Berufserfahrung ausweisen können. Es mangelt dem Land an einem qualitativ hochwertigen Ausbildungsangebot, das sich an den Möglichkeiten der Jugendlichen orientiert. Swisscontact entwickelt inklusive Ausbildungsprogramme, die sich den Rahmenbedingungen anpassen. Die Stärke der entwickelten Ausbildungen besteht darin, dass sie eine rasche und relativ kostengünstige Integration ermöglichen. So können wir eine grosse Zahl von Jugendlichen in einem kurzen Zeitraum erreichen. Und wir tragen zur Entwicklung der lokalen Wirtschaft in ländlichen Gebieten bei und fördern junge Menschen in ihrer beruflichen Integration.

Besteht eine Verbindung zwischen diesem Projekt und anderen Projekten, die Swisscontact in Niger umsetzt?

Das «Förderprogramm für ländliche Berufsbildung» ist eines der Vorzeigeprojekte von Swisscontact in Niger. Während acht Jahren testeten wir verschiedene Arten von Trainings, entwickelten einige davon weiter und bauten sie aus. Ein Beispiel sind die «SIFA», integrierte landwirtschaftliche Ausbildungsstätten. Jugendliche können in den SIFA eine landwirtschaftliche Erstausbildung absolvieren. Der Unterricht findet abwechslungsweise im Klassenzimmer und auf dem Feld statt. Das Ziel der SIFA ist, junge ländliche Unternehmerinnen und Unternehmer auszubilden, die die Leitung des Familienbetriebs übernehmen werden. Heute sind diese SIFA fester Bestandteil des Ausbildungsangebots in Niger und wurden im Rahmen weiterer Projekte von Swisscontact und von anderen Organisationen ausgebaut.

Niger: Berufsbildung in ländlichen Gebieten

Eine hochwertige Berufsausbildung vermittelt jungen Frauen und Männern Kenntnisse und Fähigkeiten, die es ihnen ermöglichen, ihr Potenzial zu entfalten und sich wirtschaftlich zu integrieren. Das «Förderprogramm für ländliche Berufsbildung» in Niger hat verschiedene Berufsbildungsangebote entwickelt, welche die unterschiedlichen Bedürfnisse der jungen Bevölkerung auf dem Land berücksichtigen. Im Folgenden stellen wir sie einzeln vor.

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Landwirtschaftliche Ausbildung

Ein landwirtschaftliches Training ermöglicht es den Jugendlichen, auf dem Familienbetrieb rasch neue Aktivitäten umzusetzen. Zum Beispiel lernen sie, auch ausserhalb der Regenzeit Gemüse anzubauen. Sie können dadurch dazu beitragen, das Familieneinkommen zu sichern und zu diversifizieren. Inhaltlich umfasst die zweimal vier Monate dauernde Ausbildung Gemüseanbau, Viehzucht und Lebensmittelverarbeitung. Aber auch Lesen und Schreiben sowie verschiedene soziale Kompetenzen gehören zum Unterrichtsstoff. Die Ausbildungsstandorte werden von den lokalen Bauernverbänden betreut und verwaltet. In Niger sind diese Ausbildungsstätten als SIFA bekannt – Sites intégrés de formation agricole.

Saliya Oumarou ist Ausbildnerin in der SIFA der Gemeinde Lokoko. «Mein Tag auf dem SIFA-Schulungsgelände beginnt um 8 Uhr morgens. Am Vormittag arbeiten die Lernenden in der Landwirtschaft, am Nachmittag geht es weiter mit Kursen für Lebensmittelverarbeitung, Tierhaltung und Alphabetisierung. Von den 50 Schülerinnen und Schülern sind 21 junge Frauen. Später möchte ich gerne selber weiter zur Schule gehen und Agronomie studieren. Für die Landwirtschaft habe ich mich entschieden, um meiner Familie bei der Feldarbeit zu helfen und die Ernte zu verbessern, damit wir nicht in Armut leben müssen.»

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Berufliche Erstausbildung

Kurze Kurse für Jugendliche ohne Schulabschluss zielen auf die rasche berufliche Integration. Während vier bis sechs Wochen erwerben sie erste fachliche Fähigkeiten, die es ihnen ermöglichen, ein Einkommen zu erwirtschaften – als Angestellte oder Selbstständigerwerbende. Die Inhalte dieser Ausbildungen orientieren sich stark am lokalen Kontext und den Wünschen und Bedürfnissen der jungen Menschen.

Sahabi Oumarou aus Dioundiou reparierte Wasserlecks. Eine Qualifikation dafür hatte er nicht. Dann absolvierte er eine von Swisscontact organisierte Klempnerausbildung. «Die Ausbildung ermöglichte es mir, technische Fähigkeiten zu erwerben und andere Dienstleistungen zu entdecken, die ich jetzt anbieten kann. Das hat mich motiviert, 2015 ein eigenes kleines Unternehmen zu gründen. Ich installiere nun Abfluss- und Versorgungsleitungen und repariere Feuerlöscher und andere Geräte. Auch mit Arbeiten für die Landwirtschaft habe ich begonnen, zum Beispiel richte ich Bewässerungssysteme ein. Meine Angestellten bilde ich in meiner Werkstatt selber aus.»

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Weiterbildung

Diese Art von Unterstützung richtet sich an junge Menschen, die bereits in einem Beruf arbeiten, ist aber ebenso flexibel und modular aufgebaut wie das Angebot «Berufliche Erstausbildung».

Abdoul Aziz Alassane Gaoh (33) aus Dogondoutchi arbeitet als Traktorfahrer auf Baustellen und, wenn gerade nicht gebaut wird, als Automechaniker. Um seine Fähigkeiten als Mechaniker zu verbessern, meldete er sich für die 15-tägige Fortbildung «Wartung und Instandhaltung von Traktoren» an, die das Ausbildungszentrum in Doutchi im Rahmen des Projekts organisiert. Er sagt: «Diese Ausbildung war für mich sehr nützlich. Jetzt bin ich ein professioneller Traktorfahrer und Mechaniker. Ich führe nun meine Maschine und werde darüber hinaus von anderen Unternehmen für Wartungsarbeiten angeworben.»

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Berufliche Orientierung

Das Ziel dieses Beratungsangebots ist es, junge Menschen zu informieren und zu leiten, wenn sie ihre beruflichen Pläne schmieden, und sie schliesslich bei der Integration in den Arbeitsmarkt zu begleiten. Die Beratung richtet sich an Jugendliche ohne stabile Beschäftigung, in einer prekären Situation oder an Jugendliche, die sich beruflich neu orientieren wollen. Durch die Beratungen erhalten die jungen Erwachsenen einen Überblick über die vorhandenen Möglichkeiten und Dienstleistungen oder lernen, in welchen Sektoren ein Wachstum erwartet wird. Dieses Angebot ist bei den Gemeindeverwaltungen angesiedelt.

Aminou Oumarou ist Berater des Orientierungszentrums in Doutchi. «Ich arbeitete für die Berufsausbildungsinspektion und wurde Ende 2017 diesem Orientierungszentrum zugeteilt. Anfangs fand ich es ein bisschen langweilig, aber mittlerweile liebe ich diesen Beruf, besonders wenn ich es schaffe, einem jungen Menschen bei der Arbeitssuche zu helfen. Wir gehen oft zur Fada (Jugendfreizeitzentrum), um die Jugendlichen dort auf unser Angebot aufmerksam zu machen. Manche kommen aber auch auf mich zu, wenn ich im Dorf unterwegs bin, und stellen mir ihre Fragen.»

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Gewerbeschulen

Diese Schulen vermitteln in zweijährigen Ausbildungsgängen Grundkenntnisse und Qualifikation zur Ausübung eines Handwerks. Auch hier ist die Alphabetisierung ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung. Die Ausbildungszentren sind öffentlich und werden von den Gemeinden verwaltet.

Yahouza Idrissa unterrichtet in Doutchi angehende Automechaniker. Die entsprechende Ausbildung erhielt er über Swisscontact. «Die Lernenden kommen zweimal pro Woche hierher, drei Tage arbeiten sie in einer Werkstatt, um das Gelernte anzuwenden. Ausserhalb der Unterrichtszeiten arbeite ich in einer Garage, um meine Fähigkeiten weiter zu verbessern. Ich bringe jungen Menschen gerne einen Beruf bei, der es ihnen ermöglicht, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.»

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Die duale Berufslehre

Durch diese Ausbildung erhalten Jugendliche die Möglichkeit, zum Facharbeiter oder zur Facharbeiterin aufzusteigen. Voraussetzung sind ein mindestens halbjähriges Praktikum in einem Handwerksbetrieb und die Unterstützung des Arbeitgebers. Während bis zu zwei Jahren werden sie weiterhin im Betrieb arbeiten, daneben aber auch ein Ausbildungszentrum besuchen. Diese Ausbildungen werden von den Handwerksverbänden verwaltet.

Aïcha Amadou verliess nach vermasselten Prüfungen die Schule und beschloss, in der Metallbauwerkstatt ihres Vaters einzusteigen. Viele Menschen in ihrem Umfeld kritisierten diesen Entscheid. Dieser Beruf sei nichts für Mädchen, hiess es. Aïchas Vater aber unterstützte ihre Wahl. Er meldete seine Tochter 2017 für eine 14-monatige Ausbildung beim Handwerkerverband an. Sie war fleissig und hoch motiviert und beendete ihre Lehre als Zweitbeste der Klasse. «Mir fehlen die Worte, um auszudrücken, wie sehr mich dieses Training verändert hat. Und darüber hinaus ist es unsere Werkstatt, die davon profitiert. Das Vertrauen meines Vaters in meine Arbeit steigt immer mehr. Kürzlich bat er mich, dass ich mich um die jüngeren Auszubildenden kümmere. Er verlässt sich bei seiner Nachfolge sehr auf mich.»

Projektbeispiel Kambodscha

Fruchtbarere Böden, bessere Leben

Klimawandel, Armut, fehlende Ernährungssicherheit – ein Projekt von Swisscontact in Kambodscha geht alle drei Herausforderungen an. Indem die Bäuerinnen und Bauern ihre Anbaumethoden anpassen, können sie ihre Erträge steigern und das Klima schützen.

Zum Projekt

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